Phänomen an Ulme
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Phänomen an Ulme
Bei uns blühen gerade die Ulmen, was mich an eine Beobachtung vom letzten Jahr erinnert. Um Blüten ging es dabei allerdings nicht, es war mitten im Sommer. Eines Tages lagen unter einer Ulme (Ulmus laevis?) kleine hinfällige Pflanzenteile. Der Fall schien klar: Ulmensterben.
Da will es der Zufall, dass ich im Netz eine dieser wunderbar altmodischen Zeichnungen finde. Ein Zweig der Flatter-Ulme mit dem Vermerk "abgestorbener Gipfeltrieb, ein Zeuge ehemaliger monopodialer Verzweigung" (R. Scharfetter: Biographien von Pflanzensippen)
Abgestorbener Gipfeltrieb? Dann hatte also das Beobachtete vielleicht gar nichts mit Ulmensterben zu tun, sondern war etwas ganz Normales.
Einmal angefixt, habe ich natürlich weitergesucht, aber wenig Brauchbares gefunden. Nun weiß ich z.B. immer noch nicht genau, ob alle sympodial wachsenden Bäume regulär Triebspitzen abwerfen, ob diese Theorie mit dem "Zeugen ehemaliger monopodialer Verzweigung" wirklich stimmt ... Vielleicht kann ein dendrologisch Versierter den Fall aufklären.
Marlies
Da will es der Zufall, dass ich im Netz eine dieser wunderbar altmodischen Zeichnungen finde. Ein Zweig der Flatter-Ulme mit dem Vermerk "abgestorbener Gipfeltrieb, ein Zeuge ehemaliger monopodialer Verzweigung" (R. Scharfetter: Biographien von Pflanzensippen)
Abgestorbener Gipfeltrieb? Dann hatte also das Beobachtete vielleicht gar nichts mit Ulmensterben zu tun, sondern war etwas ganz Normales.
Einmal angefixt, habe ich natürlich weitergesucht, aber wenig Brauchbares gefunden. Nun weiß ich z.B. immer noch nicht genau, ob alle sympodial wachsenden Bäume regulär Triebspitzen abwerfen, ob diese Theorie mit dem "Zeugen ehemaliger monopodialer Verzweigung" wirklich stimmt ... Vielleicht kann ein dendrologisch Versierter den Fall aufklären.
Marlies
Re: Phänomen an Ulme
Dendrologisch versiert bin ich nicht (höchstens morphologisch). Aber ein bisschen "Futter" für die Beschäftigung mit der Sache kann ich anbieten.
Das Verkümmern und Abwerfen der Triebspitzen ist bei Gehölzen nicht selten. Das weitere Wachstum geschieht dann natürlich aus Seitenknospen heraus (sympodial). Wegen der Größe schön anschaulich ist das beim Götterbaum, Ailanthus altissima (glandulosa):
Da ist interessant, dass sich das Phänomen oft auch an den ja sehr großen, gefiederten und dadurch zweigähnlichen Blättern wiederholt:
Der Schluss, dass soetwas ein (aus ununterbrochenem Spitzenwachstum, Monopodialität) evolutiv abgeleitetes Verhalten sei, ist charakteristisch: Etwas schon Gebildetes wieder wegzuschmeißen, erscheint vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit irgendwie erklärungsbedürftig und daher nicht ursprünglich. Andere - z. B. paläontologische - Gründe gibt es für die betreffende Interpretation als "Zeugen ehemaliger monopodialer Verzweigung" wohl kaum.
Manfrid
Das Verkümmern und Abwerfen der Triebspitzen ist bei Gehölzen nicht selten. Das weitere Wachstum geschieht dann natürlich aus Seitenknospen heraus (sympodial). Wegen der Größe schön anschaulich ist das beim Götterbaum, Ailanthus altissima (glandulosa):
Da ist interessant, dass sich das Phänomen oft auch an den ja sehr großen, gefiederten und dadurch zweigähnlichen Blättern wiederholt:
Der Schluss, dass soetwas ein (aus ununterbrochenem Spitzenwachstum, Monopodialität) evolutiv abgeleitetes Verhalten sei, ist charakteristisch: Etwas schon Gebildetes wieder wegzuschmeißen, erscheint vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit irgendwie erklärungsbedürftig und daher nicht ursprünglich. Andere - z. B. paläontologische - Gründe gibt es für die betreffende Interpretation als "Zeugen ehemaliger monopodialer Verzweigung" wohl kaum.
Manfrid
Re: Phänomen an Ulme
Die Antwort eines morphologisch Versierten nehme ich natürlich auch. Danke erst mal für's Anfüttern!
Es war nicht ganz leicht, den entscheidenden Satz zu finden: "Wir können bemerken, dass die am Trieb aufeinander folgenden Blätter zunehmend an Stärke gewonnen und dadurch das zunächst dem Spross zur Verfügung stehende Wachstumspotenzial absorbiert haben." (Du wirst wissen, wo ich den herhabe.) Damit schreibst du genau das, was ich als Vermutung auch geschrieben hätte - mich aber nicht getraut habe. Viel logischer als das Evolutions-Dingens.
Obwohl, die Interpretation des Autors geht ja noch. Sie fragt immerhin nach Ursachen (wenn auch weit hergeholt). Schräger finde ich da Erklärungen, die anfangen mit "Die Pflanze überlegt sich, dass ..." oder so ähnlich.
Marlies
Es war nicht ganz leicht, den entscheidenden Satz zu finden: "Wir können bemerken, dass die am Trieb aufeinander folgenden Blätter zunehmend an Stärke gewonnen und dadurch das zunächst dem Spross zur Verfügung stehende Wachstumspotenzial absorbiert haben." (Du wirst wissen, wo ich den herhabe.) Damit schreibst du genau das, was ich als Vermutung auch geschrieben hätte - mich aber nicht getraut habe. Viel logischer als das Evolutions-Dingens.
Obwohl, die Interpretation des Autors geht ja noch. Sie fragt immerhin nach Ursachen (wenn auch weit hergeholt). Schräger finde ich da Erklärungen, die anfangen mit "Die Pflanze überlegt sich, dass ..." oder so ähnlich.
Marlies
Re: Phänomen an Ulme
Kommt mir bekannt vor. Aber wo steht das nochmal schnell? Vielleicht interessiert es ja auch noch andere. Ich selber fand, ehrlich gestanden, jetzt nur zum Thema einigermaßen passend hier viewtopic.php?f=4&t=6965&start=60 noch etwas (und dann auch noch auf der Seite 9 im gleichen Thread).
Da sind wir uns einig. Aber auf dieser schrägen Ebene sind nicht wenige, auch wenn sie gewöhnlich fleißig betonen, dass das ja selbstverständlich "nur zur Verdeutlichung" gemeint sei.
Manfrid
Re: Phänomen an Ulme
Für alle, die das Thema vertiefen möchten:
http://docplayer.org/76717575-Die-metam ... hie-1.html S. 131 ff.
Marlies
Re: Phänomen an Ulme
Tss, tss, tss! Da war ich ja nun nicht drauf gekommen, dass Du so obsolete Literatur gelesen haben könntest...
Manfrid
Manfrid
Re: Phänomen an Ulme
Sie war ja nicht obsolet, diese Literatur. Sie hat meine Fragen beantwortet und war somit genau richtig.
Marlies
Marlies
Re: Phänomen an Ulme
Freut mich natürlich.
Manfrid
Manfrid
Re: Phänomen an Ulme
Aha, so sieht also "Sterben" aus ... Das sind ja ganz andere Abwürfe als die besagten. Nächstens werde ich nachsehen, ob wir das hier auch haben.
In das andere Thema gucke ich aber jetzt nicht mehr, trotz Neugier.
Dank und Gruß von Marlies
In das andere Thema gucke ich aber jetzt nicht mehr, trotz Neugier.
Dank und Gruß von Marlies
Re: Phänomen an Ulme
Mir scheint, es ist dieses Jahr besonders auffällig, weil Stängelglieder mit schon sehr weit entwickelten Blättern mit abgeworfen werden - vermutlich der Trockenheit wegen. Habe die Sache allerdings früher nicht systematisch beobachtet, und es ist wohl nur eine kurze Zeit, in der sie passiert.
Manfrid
Manfrid
Re: Phänomen an Ulme
Kurzer, unerfreulicher Nachsatz aus Brandenburg:
Der schönste, größte Haselstrauch bei uns im Gertraudenpark leidet auch. Abwürfe wie auf dem Foto, zum Glück nicht sooo viele.
Marlies
Der schönste, größte Haselstrauch bei uns im Gertraudenpark leidet auch. Abwürfe wie auf dem Foto, zum Glück nicht sooo viele.
Marlies
Re: Phänomen an Ulme
Übrigens sieht es gerade unter einem Spitzahorn hier ganz ähnlich aus wie unter den Linden und Haseln:
Und das, obwohl der Ahorn gar nicht sympodial wächst. Die Abwürfe sind auch nicht am Knoten geschehen wie bei den Sympodialen, sondern an verschiedenen Stellen der Stängelbasis. So wird da wohl irgendein "Nagetier" (sensu lato) nachgeholfen haben. Aber vielleicht füttert der Ahorn dasselbe ja an passender Stelle mit irgendwas Leckerem, um Überschüsse wetterabhängig ebenso loszuwerden und zu neuem Dünger verarbeiten zu lassen wie die selbst-abwerfenden Kollegen nebenan? Die Natur geht ja manchmal verschlungene Wege - schon bei der "Koevolution" zwischen Pflanzen und ihren Bestäubern - und überall ein "evolutives Wettrüsten" zwischen "Opfer" und "Fraßfeind" hineinzuinterpretieren ist vielleicht gar zu (un)menschlich gedacht?
Manfrid
Und das, obwohl der Ahorn gar nicht sympodial wächst. Die Abwürfe sind auch nicht am Knoten geschehen wie bei den Sympodialen, sondern an verschiedenen Stellen der Stängelbasis. So wird da wohl irgendein "Nagetier" (sensu lato) nachgeholfen haben. Aber vielleicht füttert der Ahorn dasselbe ja an passender Stelle mit irgendwas Leckerem, um Überschüsse wetterabhängig ebenso loszuwerden und zu neuem Dünger verarbeiten zu lassen wie die selbst-abwerfenden Kollegen nebenan? Die Natur geht ja manchmal verschlungene Wege - schon bei der "Koevolution" zwischen Pflanzen und ihren Bestäubern - und überall ein "evolutives Wettrüsten" zwischen "Opfer" und "Fraßfeind" hineinzuinterpretieren ist vielleicht gar zu (un)menschlich gedacht?
Manfrid
Re: Phänomen an Ulme
Ein Nachsatz zum Nachsatz von letztens: Unter meinem Lieblings-Hasel liegt neues Abgeworfenes, mit Blättern. Bei der Ulme letztes Jahr waren es, soweit ich mich erinnere, wirklich nur Triebspitzen. Es ist ein bisschen beunruhigend und hoffentlich wirklich bald vorbei.
Aber jetzt zum eigentlichen Problem in Gestalt deines Beitrags über den Ahorn. Einen kurzen Moment hatte ich gedacht, der wäre Spaß oder Ironie. Es ist nämlich so: Aus einer Fortbildung vor ein paar Jahren ist bei mir die Aussage hängengeblieben, wir sollten Tieren und Pflanzen keine Absichten zuschreiben, also nicht teleologisch denken. Ich weiß schon, was der Dozent damit sagen wollte und hatte das damals nicht weiter hinterfragt. Jetzt komme ich ins Grübeln. Denn deine These - vorausgesetzt, sie stimmt - zu dem Phänomen am Ahorn ist doch teleologisch. In dem Sinne, dass der Baum quasi eine "Strategie" entwickelt hätte.
Überhaupt ist mir schon öfter aufgefallen, z.B. bei dieser Thematik Pflanzen/Bestäuber oder auch Ameisen/Blattläuse, dass man in der Biologie mit rein kausalen Erklärungen (wie ich es früher gelernt habe) eben doch nicht auszukommen scheint. Ist es nicht so?
Marlies
Aber jetzt zum eigentlichen Problem in Gestalt deines Beitrags über den Ahorn. Einen kurzen Moment hatte ich gedacht, der wäre Spaß oder Ironie. Es ist nämlich so: Aus einer Fortbildung vor ein paar Jahren ist bei mir die Aussage hängengeblieben, wir sollten Tieren und Pflanzen keine Absichten zuschreiben, also nicht teleologisch denken. Ich weiß schon, was der Dozent damit sagen wollte und hatte das damals nicht weiter hinterfragt. Jetzt komme ich ins Grübeln. Denn deine These - vorausgesetzt, sie stimmt - zu dem Phänomen am Ahorn ist doch teleologisch. In dem Sinne, dass der Baum quasi eine "Strategie" entwickelt hätte.
Überhaupt ist mir schon öfter aufgefallen, z.B. bei dieser Thematik Pflanzen/Bestäuber oder auch Ameisen/Blattläuse, dass man in der Biologie mit rein kausalen Erklärungen (wie ich es früher gelernt habe) eben doch nicht auszukommen scheint. Ist es nicht so?
Marlies
Re: Phänomen an Ulme
Mir war schon selber mulmig wegen des recht teleologischen Klanges, als ich schrieb:
Manfrid
Eigentlich wollte ich wieder mal nur nach "Durchgängigkeiten", Vergleichbarkeiten suchen auch bei scheinbar kategorisch getrennten Sachen (Monopodiale - Sympodiale, Bildung von Trenngewebe - Bildung von "Leckerlis" etc.) Die Vorbehalte gegen das Teleologische teile ich mit Deinem Dozenten. Nicht zuletzt deswegen, weil man dabei ja immer eine m. o. w. feststehende Situation voraussetzen müsste, der sich die Lebewesen anzupassen versuchen; z. B. eben die Monopodialität, die den bei Sympodialität möglichen Abwurf von Triebspitzen ausschließt und nun andere "Mechanismen" erfordert. Damit kommt man natürlich nicht weit, weil immer die Frage wäre, warum nun ausgerechnet das eine Merkmal unabänderlich, ein anderes dagegen anpassbar sein sollte...
Manfrid